Dienstag, 7. Mai 2013

Bin schon da / 1 Liter Beton

 Einlassung ins Pflaster von Lemberg vor der Galerie "Ziga"


Деиь поведи, 09.05.05

УРРАА!!!
Und wieder ist ein Tag des Sieges da, ein Tag, an dem wir uns unseres beständigen Siegens erfreuen und die vordersten Frontlinien unseres Status Quo Abstecken. „Hier sind wir schon“ und jeder einzelne: „Bin schon da!“ Ein Satz ohne Widerstand, eine grausame Selbstvergewisserung in Zeit und Ort. Welche Erhabenheit! Monumente in Stahl und Beton können nur ganz bescheiden das innere Aufbrausen der Gefühle andeuten, die entstehen, wenn Unsicherheiten und Zweifel überwunden sind. Wie viel Anlauf hat es doch gekostet sie zu überwinden! Wie viele Opfer!
Man behauptet die Möglichkeit eines Angekommenseins, und setzt zum Ziel das anhaltende, ewige Angekommensein ohne wenn und aber. Die Halluzination eines anhaltenden Angekommenseins fordert und spendet anhaltend Energie, hält ganze Welten in Gang. Der Sieg ist die Zauberformel des Selbstwertgefühls der einen, das Schuldbewusstsein die Masche der anderen. 

Die Präsenz als Zweck und Resultat des Kampfes. Selbstbehauptung durch Unterdrückung. Im Inneren durch Ausgrenzung, nach außen durch territoriale Eroberungen, bzw. Erweiterung der Einflusssphäre. 

„Деиь поведи“
(Tag des Sieges)
Skulptur, 
20cm Baustahl, 1liter Beton (10x10x10cm)
Aufschrift in Russisch und Deutsch: „я уше здезь- bin schon da“
Ein Grenzstein, der die persönliche augenblickliche Präsenz absteckt und hinterfragt, aber auch als bleibender Stellvertreter, als Stempel, der einem Ort aufgedrückt wird, ihn nach eigenen Maßstäben normiert, verstanden werden kann.
Seine politische Relevanz bezieht die Arbeit durch die Verknüpfung von Sprachwahl, Ort der Installierung (Lviv, Galitien, Ukraine, ehemals K&K Reich und ehemals Sowjetunion), und Zeitpunkt (09.05.05 „Tag des Sieges“, Feier der bedingungslosen Kapitulation des Deutschen Reiches und Ende des II. Weltkrieges – (Beginn des deutschen Wirtschaftswunders); Jahr eins der demokratischen Wende der Ukraine und des „Grand Prix de la Chanson de Eurovision“).
Mit den eigenen Werten und Maßstäben in die kulturelle und territoriale Intimsphäre eines fremden Landes einzugreifen, sich dort quasi hineinzusetzen, einen Ort zu besetzen, eine Zeit zu beanspruchen ist ein penetranter Akt.
Imperialismus hat heute ein anderes Gesicht bekommen. Er trägt eine demokratische Maske der Freiheit und des Wohlstandes, eine Methode , die eine glatte, sterile Medienwelt der Realität des Anders-Seins entgegenhält und uneinlösbare Versprechungen macht und unstillbare Bedürfnisse schafft. Ein Blick von Oben herab, der Selbstbewusstsein und Identitäten zerstört. Die eigene Position wird verabsolutiert und die andere Welt jovial als noch defizitär betrachtet. Völkerfreundschaft wird dann als ein aufmunterndes „Das wird schon, ihr seid auch bald da, nehmt euch ein Beispiel an uns.“ verstanden. Am hinterlistigsten geschieht das gerade unter der Fahne der Toleranz und des Kulturaustausches, oder in der Geste einer „Entwicklungshilfe“ . 
Der Kontakt mit dem Fremden geschieht im Dienste der Selbstbestätigung und der Erschließung neuer Märkte.
Die Zweisprachigkeit hat hier in ihrer Verwendung keinerlei verbindenden Charakter. Vielmehr steht sie hier allgemein gesehen stellvertretend für das Streben von Kulturen nach Dominanz, welches immer auch einen Wettbewerbscharakter hat. Wie bei Hase und Igel kommt es am Ende immer nur darauf an, schon vor den anderen da zu sein. Die beiden Sprachen Russisch und Deutsch haben es auf die dritte, nicht geschriebene, nicht aktivierte Sprache abgesehen. Diese Sprache braucht sich nicht eigens auszuweisen, da sie im Ort selber ist, in der Erde, in der die Skulptur steckt.
Die Skulptur spießt sich harpunengleich in das Kultur-Land, und steckt einen Spielplatz ab, oder aber ein Schlachtfeld.



Im Hintergrund Vlod Kaufmann





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