Laudatio Ausstellung Ried 2012


Laudatio: Hermann Staudinger / Klaus Gölz
„Could You Please Be Quiet“ – Volkskundehaus Ried im Innkreis                                       4. Oktober 2012 

Lydia Altmann- Höfler


Das Nachdenken von Künstlern über ihr Metier ist so alt wie die Kunst selber. 
Jene Überlegungen gipfelten letztlich in den als Paragone bezeichneten Wettstreit der Künste am Beginn der frühen Neuzeit. Ausgelöst wurde dieser durch die Befreiungsbestrebungen der Kunst. Dies führte immer wieder zur Diskussion um die Rangfolge innerhalb der einzelnen Kunstgattungen.   
Giorgio Vasari, der als geistiger Vater der Kunstgeschichte gilt, versuchte der Diskussion ein Ende zu setzen, indem er in seinem Werk „Le Vite“ zum Urteil kommt, dass „Skulptur und Malerei in Wahrheit Schwestern sind, die von einem Vater – dem disegno – abstammen. Demnach würden sie einander nicht übertreffen und man könne so mit Recht behaupten, dass eine Seele zwei Körper belebe.“     
Wenn Vasari hier von „disegno“ spricht, meint er die geistige Idee, also die Inspiration des Künstlers, welche am Beginn seiner Arbeit steht. Mit dem Kunstgriff des „disegno“ als Ursprungsgedanke versuchte er die Bildende Kunst (die bis dahin zu den artes mechanicae, also zu den handwerklichen Künsten gehörte) mit der geistigen Leistung der Dichtkunst zu vergleichen und so deren Aufwertung (zu den artes liberales, also zu den freien Künsten) zu erwirken. 
Auch wenn sich heute, fast 500 Jahre später, geforderte Anerkennung für Kunst und Künstler als selbstverständlich darstellt und erwähnte Inspiration, als Quelle bildnerischen Schaffens, längst Bestätigung gefunden hat, so scheint es, als würden  gerade dadurch unerfüllbar hohe Ansprüche an Kunstschaffende gestellt, die dem  historischen Wettstreit ungeahnte Aktualität verleihen. 
Im Ringen um die Vormacht am Kunstmarkt findet sich der Künstler zunehmend im Wettbewerb mit seinen Kollegen, sowie im Buhlen um die Gunst von Galeristen und Ausstellungsmachern. Der Kunstwissenschaftler Wolfgang Ullrich geht in jener Problematik der Erwartungshaltung noch einen Schritt weiter und bezieht auch den Kunstbetrachtenden mit ein, wenn er schreibt, „[…] dass diejenigen die Kunst machen, unter einem extremen Leistungsdruck stehen, aber auch diejenigen, die Kunst betrachten, immer von Rezeptionsversagen bedroht sind.“ 
So blockieren mitunter übertriebenes Konkurrenzdenken auf der eine Seite und Versagungsängste auf der anderen Seite einen natürlichen Umgang mit der Kunst. 
Geradezu wohltuend für den Betrachter erscheint aus diesem Grund die aktuelle Ausstellung von Hermann Staudinger und Klaus Gölz, die bereits im Titel „Could you please be quiet“ zum Negieren von Sprechen, Beurteilen und Zuordnen auffordert. Auch die gern zitierte „Ehrfurcht“ vor dem künstlerischen Werk, dessen geistige Arbeit dadurch als solche anerkannt werden will, scheint hier nicht relevant. Denn, mit der Frage: Was liegt am Ende der Sprache?, erlauben Staudinger und Gölz dem Betrachter zu schweigen und eröffnen ihm damit gleichzeitig die Möglichkeit hinein zu hören in eine heilsame Stille. „In der Seele gibt es ein Bedürfnis, nicht zu denken. Aber, wenn alles nur ist, was ist dann?“, werden wir weiter gefragt. Nähert sich hier Kunst wieder dem Betrachter an, indem sie ihre Erhabenheit, im Sinne von Unnahbarkeit, aufgibt und uns tiefer blicken lässt? 
Ich denke ja. 
Und so erlaube ich mir, trotz jener Aufforderung zum Schweigen, die zugegeben auch für mich verführerische Momente in sich barg, ein paar Gedanken zu den Arbeiten der Künstler. 
Hermann Staudingers gezeigte Fotografien, die eine Neuinterpretation des mittelalterlichen Themas Goldgrundmalerei aufgreifen und Klaus Gölzs Objektkunst, die er selber als „zusammengestückelt“ bezeichnet, veranlassen den Betrachter zu individuellen, gedanklichen Verknüpfungen, die auf diese Weise elitären Zugang und Ausgrenzung ausschließen. 
Die Arbeiten Staudingers scheinen dabei den Betrachter förmlich mit ihrem goldgewordenem Licht zu umarmen. Es fängt ihn ein, lässt tief blicken in etwas nicht Fassbares. Der eine mag es als Seele bezeichnen, der andere vielleicht mit dem Wort Liebe umschreiben.  
Licht und fotografisches Abbild zeigen hier eine Symbiose, die uns zum Ursprung des Wortes Fotografie führen: „mit Licht zeichnen“. Obgleich aber Licht und Fotografie untrennbar miteinander verbunden sind, stellt es sich als schwierig heraus Licht auch abzubilden und so für den Betrachter erlebbar werden zu lassen. Staudinger gelingt dies durch die Verwendung von Gold. „Im richtigen Licht gesehen, strahlen die Goldgründe auf, öffnen Raum und entführen in eine andere, immaterielle Ebene“, so der Künstler. Entscheidend ist dabei der Blickwinkel des Betrachters. 
Neu ist die Verwendung von Gold in der Kunst nicht, denn bereits im Byzantinismus und später im Mittelalter benutzte man jenes Phänomen des Goldhintergrundes, um über die Erweiterung des Raumes, hin zu einem Lichtraum zu führen, wodurch der Blick ins Unfassbare, ins Transzendente geöffnet werden sollte. Staudinger gelingt hier als zeitgenössischen Künstler, den Kreis zur Vergangenheit zu schließen. Und so wird für den Betrachter nachvollziehbar, wenn er über sein Kunstwollen sagt: „Ich wollte immer, etwas Schönes und Beglückendes schaffen, etwas, das mit viel Liebe, Sorgfalt und Hingabe entsteht und entstanden ist“.  
Ganz anders stellen sich am ersten Blick die Objekte von Klaus Gölz für den Betrachter dar: räumlich fassbar, in der Konstruktion nachvollziehbar, roh, oft auch  derb - keine Fiktion, sondern Realität. Seine Frau beschreibt die Arbeiten auf treffende Weise in dem sie meint: „Es ist nicht der Zuckerguss, der ihn interessiert. Was andere wegwerfen, gefällt ihm. Versatzstücke aus Keller, Speicher und Sperrmüll, er findet an allem etwas.“
Und damit ermöglicht er dem Betrachter Vertrautes, durch das Herauslösen aus dem gewohnten Kontext und dem Zusammenführen dessen, was eigentlich nicht zusammengehört, neu zu überdenken. Seine Objekte hinterfragen in jener neuen Konstellationen ihren Zweck und verweisen auf einen ständig stattfindenden wechselseitigen Veränderungsprozess. 
Gölz meint dazu: Ein Kunstwerk sei kein Ergebnis kreativen Schaffens aus einem metaphysischen Schöpfungsprozess heraus, sondern eine Konstruktion, welche assoziativ entwickelt und zusammengestellt werde aus dem, was schon da ist. Denn es gibt nichts neues, sondern das Neue ist immer nur eine andere Zusammenstellung, eine neuartige Nutzung, eine Umdeutung, Umformung von Dagewesenem. 
Wohl auch deshalb sieht er seine Objekte nicht vorrangig als zielorientierte skulpturale Arbeiten und erlaubt so Assoziations- und Interpretationsspielraum. In jenem „Zulassen“ wird ein Dialog zwischen Kunstobjekt, Künstler und Betrachter erst möglich. 
Die Inspirationsquelle seiner Kunst nimmt den Weg zumeist über die Lyrik. Ausgehend von literarischen Gedanken entstehen Objekte, die infolge offen sind für Zufälligkeiten. Und so lässt mich bei Gölz der Gedanke nicht los, dass wir es hier mit einem Poeten zu tun haben, der Sprache für uns greifbar macht.  

Entführt uns die Kunst Hermann Staudingers in immaterielles Sein, so erden uns die Arbeiten von Klaus Gölz. Jene Diskrepanz ist weder als Wettstreit, noch als unüberbrückbares Hindernis zu verstehen, sondern als bereichernde Ergänzung. 
In diesem Sinne lade ich sie ein, jenem von Giorgio Vasari geäußerten Hinweis nachzugehen, dass hier offenbar eine Seele von zwei Körpern belebt wird, von denen keiner den anderen übertreffen will… 
…aber vergessen sie dabei nicht „please be quiet.“ 

.
 Vgl. Burioni, Feser: Giorgio Vasari. Kunsttheorie und Kunstgeschichte, Berlin 2004, S. 27-40. 
 Wolfgang Ullrich: Tiefer hängen. Über den Umgang mit Kunst, Berlin 2007, S. 7. 











Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen